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Das gängige Verständnis der Work-Life-Balance bezeichnet ein Gleichgewicht zwischen beruflichen Anforderungen und Privatleben. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend definiert den Begriff als „intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt“. Politische und betriebliche Rahmenbedingungen sowie die Lebensphasen und -ziele des Individuums sind wandelbar, weshalb es sich bei der Work-Life-Balance um ein dynamisches Gleichgewicht handelt. Jeder einzelne steht vor der Aufgabe, konkurrierende Anforderungen verschiedener Lebensbereiche für sich zu ordnen und zu priorisieren, Spannungsverhältnisse zu lösen und sein Leben sinnvoll zu gestalten. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen haben zum Ziel, diese Vereinbarkeit von Berufsleben und familiären, sozialen, kulturellen oder privaten Bedürfnissen zu ermöglichen. Selbst- und Zeitmanagement sowie die Priorisierung von Interessen obliegt jedem einzelnen. Allerdings hängt die Planungsfähigkeit des Individuums von der Planbarkeit der Arbeitszeit, der Arbeitszeitflexibilität und weiteren betrieblichen Rahmenbedingungen ab.
In den vergangenen Jahrzehnten hat der Begriff der Work-Life-Balance an Bedeutung gewonnen. Das lässt sich auf verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen zurückführen. Die Zahl der erwerbstätigen Frauen und der Doppelkarrierepaare ist gestiegen. Das gilt auch für die Anzahl alleinerziehender Elternteile. Das wirft vor allem das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf. Mit dem demographischen Wandel nimmt auch der Pflegebedarf älterer Angehöriger zu. Hinzu kommen verdichtete und spezialisierte Arbeitsanforderungen, u. a. aufgrund des höheren internationalen Wettbewerbs und wachsender technischer Möglichkeiten. Die Digitalisierung und Vernetzung von Kommunikation hat dazu beigetragen, dass Arbeits- und Privatleben stärker verschmelzen, so dass Arbeitnehmer vermehrt außerhalb der Arbeit erreichbar sind. Vielfach wird davon ausgegangen, dass mit der Arbeitsverdichtung Zeit- und Leistungsdruck sowie psychische oder physische Belastungen steigen. Für Arbeitnehmer haben sich dadurch neue Kernkompetenzen herausgebildet, die in der Arbeitswelt von Bedeutung sind, zum Beispiel Flexibilität, Planungs- und Organisationsfähigkeit, Mobilität oder Selbst- und Stressmanagement. In jüngster Zeit sprechen Wirtschaftswissenschaftler von einer zunehmenden Verschmelzung zwischen Arbeit und Privatleben bzw. Arbeitszeit und Freizeit. Charakteristisch für dieses Work-Life-Blending ist eine höhere Arbeitnehmerflexibilität auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch eine höhere Durchdringung des Privatlebens mit beruflichen Angelegenheiten, etwa durch ständige Erreichbarkeit. In einigen wenigen Unternehmen hat es sich etabliert, den Arbeitnehmern hohe Freiräume zu gewähren, was Arbeitszeit und -ort angeht, solange sie ihr Arbeitspensum bewältigen. Kritiker des Work-Life-Blendings befürchten, dass das Privatleben durch die Vermischung von Beruf und Freizeit immer mehr verschwindet. Sie betonen die Notwendigkeit von Erholungs- und Regenerationsphasen für die Leistungsfähigkeit.
Bestimmte Faktoren auf Arbeitnehmer- und Unternehmensseite wirken sich negativ auf die Work-Life-Balance aus. Gründe sind vor allem eine strukturelle Über- oder Unterforderung des Arbeitnehmers sowie geringe Planungsflexibilität. Planungshinderlich ist beispielsweise ein defizitäres Zeit- und Selbstmanagement. Anfällig für erhöhte Arbeitsbelastung sind insbesondere Mitarbeiter, die hohe Leistungsansprüche an sich selbst stellen, dafür aber nicht genügend Ressourcen aufbringen können (effort-reward-imbalance model). Das Anforderungs-Kontroll-Modell geht davon aus, dass dauerhaft überhöhte Arbeitsanforderungen gepaart mit einem geringen Kontroll- oder Entscheidungsspielraum des Arbeitnehmers zu Überforderung führen. Eine solche chronische Überlastung ist ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Burnouts. Gefährdet sind hier vor allem auch Arbeitnehmer, die neben einem erhöhten Leistungsdruck ein starkes Verpflichtungsgefühl haben und sich kaum Erholungsphasen gönnen oder Sozialkontakte vernachlässigen. Auf Arbeitgeberseite können strukturelle Faktoren dazu beitragen, chronischen Zeit- und Leistungsdruck zu erzeugen. Zu hohe Arbeitsanforderungen, aber auch intransparente Zielsetzungen und unklare Aufgaben- oder Rollenverteilungen erhöhen das Stressrisiko. Hinzu kommen unsichere Arbeitsbedingungen, die Existenzängste begünstigen sowie eine konfliktreiche Arbeitsatmosphäre. Im Kontext der Work-Life-Balance wird die Arbeitnehmergesundheit immer mehr zum Thema. Dazu beigetragen hat beispielsweise die Zunahme von Diagnosen stressbedingter psychischer oder psychosomatischer Leiden wie Burnout.
Mitarbeiter mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance sind ausgeglichener. Das kann sich positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation auswirken. Eine höhere Motivation wiederum steigert die Leistungsbereitschaft, was produktivitätssteigernd sein kann. Zufriedene Arbeitnehmer tendieren dazu, sich eher mit ihrem Unternehmen zu identifizieren. Wenn der Mitarbeiter als Unternehmensbotschafter fungiert, hat das einen positiven Effekt auf das Arbeitgeberimage. Eine gute Work-Life-Balance lässt sich in diesem Sinne als Instrument des Employer Brandings nutzen. Positive Arbeitgeberbewertungen wiederum wirken attraktiv auf qualifizierte Bewerber und ggf. auch Kunden. Dadurch verschaffen sich Arbeitgeber einen Wettbewerbsvorteil. Zufriedene Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, fühlen sich ihrem Arbeitgeber eher verbunden (hohe Mitarbeiterbindung). Das minimiert die Fluktuationsrate und damit die Personalbeschaffungskosten. Da eine gute Work-Life-Balance sich positiv auf die psychische und psychosomatische Gesundheit auswirkt, sinken Fehlzeiten und Absentismus. Ein ausgeglichener Mitarbeiterstamm verbessert das Betriebsklima und damit im Idealfall auch die Teamarbeit. In einem Unternehmen, in dem eine solche produktive Atmosphäre herrscht, können (Kreativitäts)Potentiale besser fruchten.
In der Praxis haben sich vielfältige Möglichkeiten etabliert, um eine positive Work-Life-Balance zu fördern:
Eine positive Work-Life-Balance birgt zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter. Zufriedene Mitarbeiter, eine gute Mitarbeiterbindung, geringere Fluktuationsraten und eine gesteigerte Produktivität – um nur einige zu nennen. Auch für das Employer Branding ist die Förderung der Work-Life-Balance sinnvoll: Wenn Mitarbeiter als Unternehmensbotschafter eine attraktives Arbeitgeberimage verbreiten, steigen die Chancen, dass sich begehrte Fachkräfte bewerben. Work-Life-Balance, Employer Branding und Personalgewinnung gehen in diesem Sinne Hand in Hand.
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