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Flexicurity ist ein Hybrid-Begriff aus flexibility (Flexibilität) und security (Sicherheit). Der Begriff aus der Arbeitsmarktpolitik geht u. a. auf den niederländischen Soziologen Hans Adriaansens zurück. Er beschreibt eine Strategie, die Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt stärken und die beiden scheinbar inkompatiblen Forderungen in Einklang bringen soll. Die zugrunde liegende Annahme lautet, dass Arbeitgeber im Zuge ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf einem globalisierten Arbeitsmarkt von einer höheren Flexibilität profitieren. Unternehmen mit einem flexiblen Bedarf an Arbeitskräfte streben z. B. nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes, um auf einen schwankenden Personalbedarf optimal zu reagieren. Arbeitnehmer hingegen wünschen sich Arbeitsplatz- oder Beschäftigungssicherheit sowie eine verlässliche soziale Absicherung. Diese konfligierenden Interessen sollen in der Flexicurity-Strategie gleichwertig Berücksichtigung finden. Die Europäische Union definiert den Begriff, als eine strategische Methode zur Verbesserung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und in Arbeitsorganisationen auf der einen Seite, und eine Erhöhung der Beschäftigungssicherheit sowie sozialen Sicherheit auf der anderen Seite. Dadurch sollen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie das Wirtschaftswachstum gesichert und die Arbeitslosigkeit abgebaut werden.
Die Europäische Kommission hat einige Flexicurity-Prinzipien festgelegt, welche die Strategie stützen:
Die konkrete inhaltliche Auslegung und Durchführung dieser Prinzipien obliegt den einzelnen Nationalstaaten. So heißt es in der Europa 2020 Strategie: „Die Mitgliedstaaten (…) sind aufgefordert, ihre nationalen Flexicurity-Konzepte – wie vom Europäischen Rat vereinbart – umzusetzen, um die Segmentierung des Arbeitsmarkts abzubauen und Übergänge sowie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu erleichtern“. Flexibilität und Sicherheit sollen im Rahmen der Umsetzung nicht als unvereinbar angesehen werden, sondern als gegenseitig stützende Konzepte.
In Zeiten des Strukturwandels und der Globalisierung hilft Flexibilität Unternehmen dabei, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und effektiv auf personelle Anforderungen zu reagieren, z. B. volatile Auftragslagen, saisonale oder konjunkturelle Schwankungen sowie kurzfristige Auftragsspitzen. In ihrem Buch „Atypische Beschäftigung – Flexibilisierung und soziale Risiken“ unterscheiden Dr. Bernd Keller und Dr. Hartmut Seifert zwischen interner und externer Flexibilität. Welche Form der Flexibilität vorherrscht, ist von dem jeweiligen Teilarbeitsmarkt und der Beschäftigungsstruktur abhängig:
Interne Flexibilität: Die Anpassung der eingesetzten Arbeitskräfte an die dynamischen Nachfragebedingungen, ohne dabei auf den externen Arbeitsmarkt zurückzugreifen.
**Externe Flexibilität: **Die Anpassung der eingesetzten Arbeitskräfte erfolgt über Einstellungen und Entlassungen, Leiharbeit, Befristung oder Transfergesellschaften, d. h. der Vermittlung von Mitarbeitern, die konkret von Arbeitslosigkeit bedroht sind.
Die soziale Sicherheit als Arbeitnehmerinteresse lässt sich ebenfalls weiter differenzieren. Sie umfasst zum Beispiel die Arbeitsplatz- oder Beschäftigungssicherheit sowie Systeme der sozialen Sicherheit, die im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Rente vorsorgen. Ein existenzsicherndes Einkommen oberhalb der Armutsgrenze (Niedriglohnschwelle) ist ebenfalls Teil der sozialen Sicherheit. Eine langfristige Einkommenssicherung ist über den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Durchsetzung von Beschäftigungssicherheit möglich. Die Beschäftigungsfähigkeit oder Employability setzt zum Beispiel den Zugang zu Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen voraus. Der belgische Wirtschaftswissenschaftler André Sapir beschreibt in Hinblick auf die soziale Sicherheit vier Modelle, die im europäischen Raum derzeit praktiziert werden:
Die Maßnahmen zur Implementierung der Flexicurity-Prinzipien streben eine gleichwertige Umsetzung von Flexibilität und Sicherheit an. Die Beschäftigungsfähigkeit und -sicherheit von Arbeitnehmern lässt sich z. B. über Investitionen in Weiterbildung, lebenslanges Lernen sowie die notwendigen Qualifizierungen im Rahmen der Digitalisierung fördern. Hier kann verstärkt ein Schwerpunkt auf die Förderung von Erwerbsfähigen mit einem niedrigen Ausbildungsstatus gelegt werden, um Einkommenschancen und die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs zu verbessern.
Flexicurity ist eine Strategie zur Vereinbarung des Arbeitgeberinteresses nach mehr Flexibilität sowie des Arbeitnehmerinteresses nach Beschäftigungssicherheit und sozialer Absicherung. Die konfligierenden Interessen werden dabei als miteinander vereinbar und im Idealfall als gegenseitig verstärkend angesehen. Die Europäische Union hat vier Flexicurity-Strategien definiert, welche die Operationalisierung der Maßnahmen begleiten sollen. Die Auslegung und Art und Weise der Umsetzung bleibt aber in der Hand der Nationalstaaten. Auf Arbeitgeberseite zielt die Förderung der Flexibilität darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Globalisierung zu erhalten und flexibel auf schwankenden Personalbedarf reagieren zu können. Unterscheiden lässt sich dabei z. B. zwischen der internen Flexibilität auf der einen Seite, welche eine Anpassung ohne Rückgriff auf den externen Arbeitsmarkt erlaubt, etwa durch eine Veränderung der Arbeitszeit. Auf der anderen Seite können Unternehmen ihre Beschäftigungszahlen z. B. durch Einstellungen oder Entlassungen anpassen (externe Flexibilität). Die Dimension der sozialen Sicherheit umfasst beispielsweise die Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit, die Beschäftigungsfähigkeit sowie die Absicherung über Versicherungen.
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