Neuer Arbeitsschutzstandard soll Infektionsgefahr senken
Ab heute (20.04.) tritt Deutschland mit vereinzelten Lockerungen schrittweise aus dem Schatten des Shutdowns. Die Regelungen sind bundesweit unterschiedlich – einmal abgesehen von den neuen „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“. Vergangene Woche präsentierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam mit Dr. Stefan Hussy (Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung) in einer Pressekonferenz neue Grundegeln zum Arbeitsschutz.
Sie sollen das Arbeitsleben in Betrieben sicherer machen und die Infektionsgefahr senken. Der neue Standard gilt bundesweit einheitlich – Heil kündigte bereits stichprobenartige Kontrollen an. Die neuen Arbeitsschutzmaßnahmen sind in drei Kategorien eingeteilt:
- technische
- organisatorische
- personenbezogene
Zwei übergeordnete Grundsätze
Den aktuellen Regeln sind laut dem neuen „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ zwei klare Grundsätze übergeordnet, die während der Corona-Pandemie zu beachten sind:
- Losgelöst von betrieblichen Schutzmaßnahmen soll in Zweifelsfällen, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, eine Mund-Nasen-Bedeckung zur Verfügung gestellt und getragen werden.
- Personen mit Atemwegssymptomen oder Fieber sollen sich nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten (sofern die Symptome nicht nachweislich auf ungefährliche Erkrankungen zurückzuführen sind). Ausgenomen sind Angestellte aus „kritischen Infrastrukturen“ laut RKI. Unternehmen sind dazu angehalten, einen Maßnahmenplan bei Verdachtsfällen festzulegen. Dieser kann sich an den Empfehlungen des RKI orientieren.
Technische Schutzmaßnahmen: Arbeitsplatzgestaltung
Die Belegschaft muss den Mindestabstand von 1,5 Meter einhalten. Sollte dies nicht möglich ein, so müssen alternative Schutzmaßnahmen eingeführt werden. Bei Publikumsverkehr sind **Schutzscheiben **zu installieren – diese sollen auch in Büros zum Einsatz kommen, wenn Arbeitsplätze den Mindestabstand nicht erfüllen. Generell gilt jedoch: Büroarbeit soll weiterhin möglichst im Homeoffice stattfinden. Ist dies nicht möglich, sollen Mehrfachbelegungen vermieden werden (verschiedene Schichten, Pausen etc.)
🔵 Mindestabstand einhalten & Kontakt mit Kollegen wird durch Schichtgestaltung auf Minimum reduziert
Technische Schutzmaßnahmen: Toiletten, Kantinen, Pausenräume
Unternehmen müssen Waschgelegenheiten/Desinfektionsspender zur Verfügung stellen. Damit soll die erforderliche Handhygiene am Ein-/Ausgang und in der Nähe vom Arbeitsplatz gewährleistet werden. Kurze **Reinigungsintervalle **von gemeinsam genutzten Räumen/Gegenständen verbessern den Infektionsschutz. Die „Nies-/Hustenetikette“ muss verbindlich eingehalten werden.
🔵 Zusätzliche Hygienemaßnahmen treffen & Einhaltung Nies-/Hustenetikette
Technische Schutzmaßnahmen: Lüftung
In geschlossenen Räumen steigt die Anzahl der Krankheitserreger – deshalb sollte regelmäßig gelüftet werden. Idealerweise, indem zwei Fenster und/oder Türen zehn Minuten lang komplett geöffnet sind. Diese Maßnahme kann erregerhaltige Tröpfchen reduzieren und so das Infektionsrisiko senken. Bei der Nutzung von Klimaanlagen ist das Übertragungsrisiko generell geringer.
🔵 Regelmäßiges (Stoß-)Lüften
Technische Schutzmaßnahmen: Baustellen, Landwirtschaft, Außen- und Lieferdienste, Transporte und Fahrten innerhalb des Betriebes
Auch bei Kundenkontakt gilt freilich die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern. Wenn möglich, sollen Tätigkeiten durch vereinzeltes Arbeiten durchgeführt werden. Ist dies nicht nicht umsetzbar, sind feste Teams von zwei bis drei Personen zu bilden, um wechselnde Kontakte innerhalb der Belegschaft zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss außerdem Möglichkeiten zur Handhygiene in der Nähe des Arbeitsplatzes schaffen.
Firmenfahrzeuge sind mit Handhygiene-Artikeln auszustatten (Desinfektion, Papiertücher, Müllbeutel) und müssen regelmäßig gereinigt werden. Die gleichzeitige Nutzung von Fahrzeugen durch mehrere Mitarbeiter ist zu vermeiden und auch der Personenkreis aller Fahrzeugnutzer ist möglichst klein zu halten. Bei Transport- und Lieferdiensten sollten bei der Tourenplanung sanitäre Einrichtungen berücksichtigt werden.
🔵 Abstand halten, feste Teams & Hygienemaßnahmen
Technische Schutzmaßnahmen: Homeoffice
Grundsätzlich sollen Bürotätigkeiten auch weiterhin möglichst ins Homeoffice verlagert werden. Vor allem dann, wenn die Räumlichkeiten vor Ort keinen ausreichenden Platzabstand gewährleisten. Auf diese Weise können berufstätige Eltern außerdem die Kinderbetreuung und Job vereinen.
🔵 Wenn möglich, dann Homeoffice
Technische Schutzmaßnahmen: Dienstreisen und Meetings
Unternehmen sollen Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen auf das absolute Minimum reduzieren. Teams sollten Meetings nach Möglichkeit per Videoschalte oder via Telefonkonferenz abhalten. Präsenzveranstaltungen dürfen im Notfall nur mit dem nötigen Mindestabstand stattfinden.
🔵 Idealerweise Verzicht auf Dienstreisen & Meetings digitalisieren
Organisatorische Maßnahmen: Sicherstellung Abstände
Verkehrswege wie Treppen, Aufzüge oder Türen sind so anzupassen, dass der Mindestabstand überall problemlos eingehalten werden kann. An Orten wie Kantine, Materialausgaben etc. sollen Schutzabstände durch Klebeflächen deutlich markiert sein. Wenn dies nicht möglich ist, muss eine Mund-Nase-Bedeckung zum Einsatz kommen.
🔵 Verkehrswege auf Mindestabstand prüfen/Schutzmasken als Alternative
Organisatorische Maßnahmen: Arbeitsmittel und Werkzeuge
Nach Möglichkeit sind Werkezuge/Arbeitsmittel personenbezogen zu nutzen. Andernfalls müssen die genutzten Gegenstände vor der Übergabe gereinigt werden. Ein Alternative sind Schutzhandschuhe – hierbei sind Allergien und Gefahren freilich zu berücksichtigen.
🔵 Personenbezogene Nutzung
Organisatorische Maßnahmen: Arbeitszeit- und Pausengestaltung
Zeitversetzte Pausen- und Arbeitszeiten sollen die Belegungsdichte von Arbeitsplätzen reduzieren. Bei der Erstellung von Schichtplänen soll darauf geachtet werden, möglichst immer **dieselben Personen **in gemeinsame Schichten einzuteilen, um die Kontakte so gering wie möglich zu halten. Schichtwechsel sollten so organisiert sein, dass ein Aufeinandertreffen aller Beteiligten nicht zustande kommt.
🔵 Mitarbeiterkontakte auf Minimum reduzieren
Organisatorische Maßnahmen: Aufbewahrung & Reinigung Arbeitsbekleidung und PSA
Die strikte Einhaltung personenbezogener Nutzung jeglicher PSA ist oberste Priorität. Zudem muss es möglich sein, Arbeitskleidung und PSA getrennt von der Alltagskleidung aufzubewahren. Auch das regelmäßige Reinigen der Bekleidung ist sicherzustellen. Sofern klar ist, dass dadurch kein Infektionsrisiko besteht, können Mitarbeiter ihre Kleidung auch zuhause an- und ausziehen.
🔵 Personenbezogene Nutzung Arbeitskleidung / PSA
Organisatorische Maßnahmen: Zutritt Betriebsfremder
Der Zutritt betriebsfremder Personen zu Arbeitsstätten und dem Betriebsgelände sollte auf ein **Minimum reduziert **werden. Kontakte mit nicht dem Betrieb zugehörigen Personen sowie der Zeitpunkt des Betretens/Verlassens derjenigen ist nach Möglichkeit zu dokumentieren. Besucher müssen außerdem über die betrieblichen Corona-Maßnahmen informiert werden.
🔵 Betriebsfremde fernhalten bzw. derlei Kontakte protokollieren
Organisatorische Maßnahmen: Verdachtsfälle
Sobald Mitarbeiter typische Corona-Symptome zeigen, ist nach Möglichkeit eine kontaktlose Fiebermessung im Betrieb vorzunehmen. Verdachtsfälle müssen das Betriebsgelände verlassen bzw. bleiben direkt zu Hause und lassen die Symptome ärztlich abklären. Im Betrieb greift anschließend der Pandemieplan, um Kontaktpersonen zu ermitteln und zu informieren, dass ein Infektionsrisiko besteht.
🔵 Keinesfalls krank zur Arbeit
Organisatorische Maßnahmen: Psychische Belastungen
Angst, Unsicherheit, Social Distancing oder eine enorme Arbeitsbelastung (Mitarbeiter in systemrelevanten Berufen) können zur psychischen Zerreißprobe werden. Arbeitgeber sollten diese Gefahr berücksichtigen und geeignete Präventionsmaßnahmen treffen.
🔵 Psychische Gesundheit der Mitarbeiter wahren
Personenbezogene Maßnahmen: Schutzausrüstung
Bei unvermeidbarem Kontakt oder sobald Schutzabstände nicht eingehalten werden können, sollen Mund-Nase-Bedeckungen zur Verfügung gestellt werden.
🔵 Zusätzlicher Schutz bei unvermeidlichem Kontakt
Personenbezogene Maßnahmen: Kommunikation
Die eingeführten Schutzmaßnahmen sind klar, verständlich und mit dem Grundsatz „Gesundheit geht vor“ an die Belegschaft weiterzugeben. Idealerweise sind einheitliche Ansprechpartner vor Ort und die Schutzmaßnahmen zusätzlich mit Schildern, Bodenmarkierungen etc. visualisiert.
🔵 „Gesundheit geht vor“ kommunizieren
Personenbezogene Maßnahme: Vorsorge
Unternehmen sollten ihrer Belegschaft eine arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten, indem der Betriebsarzt Einzelpersonen individuell berät – auch hinsichtlich bestehender Vorerkrankungen oder psychischen Belastungen. Dabei kann der Betriebsarzt (oder ein neu hinzugezogener Experte) ergänzende Schutzmaßnahmen vorschlagen oder sogar einen Tätigkeitswechsel empfehlen – natürlich im Rahmen der ärztlichen Schweigepflicht. Diese Vorsorge kann auch telefonisch stattfinden.
🔵 Arbeitsschutzexperten einbinden & Unterstützung einholen
Fazit
Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitsschutzstandards im Laufe der Zeit konkretisiert und ergänzt werden. Für die Umsetzung der neuen Standards können sich Betriebe von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen unterstützen lassen. Vor allem Kleinbetriebe verfügen in der Regel nicht über eigene Gesundheitsfachleute, sodass sie auf die externe Hilfestellung angewiesen sind. Branchenspezifische Infos zum Arbeitsschutz erhalten Unternehmen bei dem für sie zuständigen Unfallversicherungsträger. Bei der DGUV finden Sie alle wichtigen Infos und Links zur Corona-Krise.
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